Waldlieder


DER WALD


Ich bin der Wald voll Dunkelheit und Nässe,

Ich bin der Wald, den du sollst nicht besuchen,

Der Kerker, daraus braust die wilde Messe,

Mit der ich Gott - mit der ich Gott verfluche.


Ich bin der Wald, der alte Urwald groß,

Zieht ein in mich mit Schmerzgeschrei, Verlorene!

Ich bette eure Schädel weich in faules Moos.

Versinkt in mir, in Schlamm und Teich, Verlorene!


Ich bin der Wald, wie Sarg schwarz rings umhangen,

Mit Blätterbäumen lang und komisch ausgerenkt.

In meiner Finsternis ist Gott zugrund gegangen.

Der Boden Schwamm, von Regen aufgeschwemmt.


Horcht, wie es in den Sümpfen raunt

Und Schlangen rascheln hin und her, die klappern.

Ein Käfer kriecht hoch einen Stamm, posaunt,

Ein Horn wächst ihm auf seiner schwarzen Kappe…


Ich bin der Wald. Aufprasseln eure Länder

In meines letzten Brandes blutigem Höllenschein.

Es knicken um der eisigen Berge Ränder,

Hell springt der Meere flüssiges Gestein.


Ich bin der Wald, der fährt durch abendliche Welt, gelöst

Vom Grund, verbreitend euch betäubenden Geruch,

Bis meine Flamme grell den Horizont durchstößt,

Der löscht, der deckt mich zu mit rotem Tuch.



Johannes R. Becher (1891–1958)