Ernst Haeckel – Kunstformen der Natur

Sonderausstellung vom 20. Mai bis 21. August 2003 in Fürstenberg/Havel
Ernst Haeckel ebnete dem Darwinismus den Weg nach Deutschland


         
Von Kindheit an mit der Natur vertraut sucht Haeckel in ihr die Schönheit, sei es die einer bunten Blüte, die der ästhetischen Form eines Meerestieres, einer Landschaft in allen ihren Stimmungen. Er hat nie eine graphische Schulung genossen, niemals Malkurse besucht - und doch hat er bei allen seinen Reisen stets ein Skizzenbuch und stets den Malkasten mit sich geführt. Zahlreiche Aquarelle und Graphiken im Jenaer Haeckel-Archiv, einige weitere im Frankfurter Senckenberg-Museum lassen erkennen, dass er nicht nur ein begeisterter, sondern auch hoch begabter Autodidakt war.

In Potsdam am 16. Februar 1834 geboren, wird in Merseburg durch einen Privatlehrer die Liebe zur Naturbeobachtung erweckt, insbesondere das Interesse an der Pflanzenwelt in Wald und Flur. 1852 legt er die Reifeprüfung ab, studiert ein Semster Medizin in Berlin und belegt er in Würzburg Anatomie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte. Das fünfte und sechste Semester absolviert er in Berlin, wo unter dem Einfluss des bedeutenden Zoologen Johannes Müller das Interesse an marinen Faunen erwacht. 1856 wird er Assistent bei Rudolf Virchow, der später zur weit überragenden Persönlichkeit unter den deutschen Pathologen und daneben auch zum aktiven Politiker werden wird. Nebenbei: auch zu einem erklärten Gegner der neuen Abstammungslehre und seines früheren Assistenten Haeckel.

1857 erfolgt in Berlin Haeckels Promotion und im nächsten Jahr seine ärztliche Approbation. Voll Eifer verstärkt er seine naturwissenschaftlichen Studien und schwankt zwischen einem Dasein als Landschaftsmaler oder Wissenschaftler. 1861 habilitiert sich Haeckel an der Universität in Jena. 1862 erscheint seine grosse Monographie der Radiolarien (Strahlentiere), die sofort die lebhafte Aufmerksamkeit der Fachkreise auf sich zieht. Mit ihr rückt der junge Haeckel unvermittelt in den engeren Kreis der führenden Naturforscher seiner Zeit auf. Zeichen der Anerkennung wird 1862 die Übertragung eines Extraordinariats der Universität Jena. Es folgen zahlreiche morphologisch-taxonomische Arbeiten über marine Wirbellose, so etwa die Rüsselquallen und Medusen, die Siphonophoren und Kalkschwämme.

Mit einem viel beachteten Vortrag setzt sich Haeckel 1863 bei der Versammlung der Vereinigung Deutscher Naturforscher und Ärzte vehement für die Lehre Charles Darwins ein, dessen Werk „Über den Ursprung der Arten durch natürliche Zuchtwahl” kurz zuvor erschienen war. In der Folgezeit wird Ernst Haeckel zum eifrigsten Protagonisten und aufklärenden Verbreiter der Abstammungslehre Darwins, den er in der Folgezeit mehrfach in England besucht.

1866 formuliert er die Biogenetische Grundregel, nach der die individuelle Entwicklung (Ontogenese) eine verkürzte bzw. eine modifizierte stammesgeschichtliche Entwicklung (Phylogenese) der einzelnen Art ist. 1869 wird er Ordinarius, und hinfort widmet er sich fast nur noch der Untersuchung und Darstellung stammesgeschichtlicher Zusammenhänge. Anerkennungen und Ehrungen häufen sich, allerdings auch die unausbleiblichen Anfeindungen gegen den „Jenenser Affen-Professor”. Durch sein unerschrockenes, ja streitbares Eintreten für den Darwinismus wird Ernst Haeckel schon frühzeitig zum Ziel wütender und erbitterter Angriffe, die er freilich nicht minder furios beantwortet.

Ausgehend von seinen biologischen Erkenntnissen entwickelte Ernst Haeckel später als „Band zwischen Religion und Wissenschaft” sein weltanschauliches Gedankengebäude des sogenannten Monismus, womit er in die ideologische Nähe der damaligen Freidenker-Bewegung geriet. Sich von der selbstkritischen und analytischen Befunderhebung des objekt-bezogenen Forschers immer mehr entfernend wurde er, dessen Stärke schon immer auf dem Gebiet der interpretativen Synthese gelegen hatte, sodann zunehmend zum reinen Denker, in dessen Vorstellungswelt Deutung und Erkenntnis oft nicht mehr scharf geschieden wurden. Am 5. August 1919 verlöscht das Lebenslicht dieses in Deutschland wohl am tiefsten gehassten und am höchsten verehrten Gelehrten seiner Zeit.

100 Tafeln
Evangelist for Evolution and Apostle of Deceit by Russell Grigg
Wilhelm Bölsche. Briefwechsel 1887-1919
Ernst Haeckel - Wanderbilder
Ernst Haeckel, Laubmoose, Muscinae