Waldlieder


WALDEINSAMKEIT


Ich hab in meinen Jugendtagen

Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen;

Die Blumen glänzten wunderbar,

Ein Zauber in dem Kranze war.


Der schöne Kranz gefiel wohl allen,

Doch der ihn trug, hat manchem mißfallen;

Ich floh den gelben Menschenneid,

Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit.


Im Wald, im Wald! da konnt ich führen

Ein freies Leben mit Geistern und Tieren;

Feen und Hochwild von stolzem Geweih,

Sie nahten sich mir ganz ohne Scheu.


Sie nahten sich mir ganz ohne Zagnis,

Sie wußten, das sei kein schreckliches Wagnis;

Daß ich kein Jäger, wußte das Reh,

Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee.


Von Feenbegünstigung plaudern nur Toren -

Doch wie die übrigen Honoratioren

Des Waldes mir huldreich gewesen, fürwahr,

Ich darf es bekennen offenbar.



Heinrich Heine (1797–1856). Auszug, 1847/51