Waldlieder


AUS DEN WALDLIEDERN


Wie Merlin

Möcht' ich durch die Wälder ziehn;

Was die Stürme wehen,

Was die Donner rollen,

Und die Blitze wollen,

Was die Bäume sprechen,

wenn sie brechen

Möcht' ich wie Merlin verstehn.



Still die Götter zu beschleichen

Und die ewigen Gesetze,

in den Schatten hoher Eichen

Wacht der Zaubrer, einsam sinnend,

zwischen ihre Zweige spinnend

heimliche Gedankennetze.



Stimmen, die den andern schweigen,

Jenseits ihrer Hörbarkeiten,

Hört Merlin vorübergleiten,

Alles rauscht im vollen Reigen.

Denn die Königin der Elfen

Oder eine kluge Norn<

Hält, dem Sinne nachzuhelfen,

Ihm ans Ohr ein Zauberhorn.



Der Nachtwind hat in den Bäumen

sein Rauschen eingestellt,

Die Vögel sitzen und träumen,

Am Aste traut gesellt.



In dieses Waldes leisem Rauschen

ist mir, als hör ich Kunde wehen,

Daß alles Sterben und Vergehen

Nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.



1820/29. Nikolaus Lenau (1802–1850)